Problemfeldanalyse und Datenerhebung


Ergänzende Anmerkung (03.11.2016): Die Grundlagenarbeit wurde mit Ende März 2016 abgeschlossen.
Der folgende Text stammt vom 06.02.2015 und somit aus der Zeit des laufenden Projektes.

 

  • Die Analyse betrifft rechtliche Bestimmungen (z.B. Zulassungsvoraussetzungen an Pädagogischen Hochschulen, Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention, Behinderteneinstellungsgesetz) und Veränderungen, die auf gesetzlicher Ebene durchgeführt werden. 
     
  • Eine zentrale Fokussierung der Arbeit von bundessache lag zunächst in der Vernetzung mit PädagogInnen mit Behinderungen (und dabei die Erhebung ihrer gemachten Erfahrungen vor dem Eintritt in eine Pädagogische Hochschule, während ihrer Ausbildungsphase und nach Austritt von der Pädagogischen Hochschule) und der darauffolgenden Gründung einer Arbeitsgruppe.
     
  • Vernetzungen und Kooperationen mit (v.a. politischen) AkteurInnen und Weitergabe der Daten aus den durchgeführten Analysen.

Von Exklusion zu Inklusion?

Frau MBA Ulrike Votypka gab in ihrem verfassten Bericht für das BSB Wien (nun SMS Wien) zu Protokoll, dass sich die damaligen Personalverantwortlichen im BMUKK (nun BMB) in einem Gespräch nicht gegen PädagogInnen mit Sinnesbehinderungen aussprachen und Offenheit signalisierten. Einziges Hindernis für Aufnahmen der Zielgruppe in den Bundesdienst waren die rechtlich verankerten Zugangsbestimmungen an PHen. Es tagte eine ExpertInnengruppe im BMUKK, wobei bundessache anstrebte, manche dieser Personen für eine Arbeitsgruppe zu gewinnen, der auch andere Mitglieder (wie z.B. VertreterInnen von Interessensverbänden) angehören sollten. Hierbei wollte bundessache die Funktion eines Koordinators übernehmen. Das Ziel bestand darin, politischen EntscheidungsträgerInnen eine Gruppe von ExpertInnen vorzustellen, die teilweise selbst in der Politik bzw. im zuständigen Ressort verortet sind, und einen Handlungsbedarf bei der bestehenden Rechtslage bezüglich der Aufnahmebestimmungen von Lehrpersonen an Pädagogischen Hochschulen sehen.

2006 wurde der Passus betreffend der „körperlichen Eignung“ der Hochschulzulassungsverordnung aus vielen Berufszugangsbestimmungen entfernt, wie viele InterviewpartnerInnen des BMUKK bundessache gegenüber unterstrichen und eine Einstellung von Pädagoginnen mit Sinnesbehinderungen in ein Dienstverhältnis befürworteten.

2007 änderte sich dies im Zuge der Hochschulzulassungsverordnung, die die Zugangsvoraussetzung an Pädagogischen Hochschulen regelt. Sie verstößt mit der Forderung nach der „erforderliche[n] Sprech- und Stimmleistung“, der „musikalisch-rhythmische[n]“ sowie“ körperlich-motorische[n] Eignung“ gegen Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Artikel 24 Abs. 1 der UN-BRK thematisiert die Anerkennung und Verwirklichung des Rechts auf Bildung. Sobald die vorhin genannten Kriterien Grundlage einer Ablehnung zur LehrerInnen-Bildung sind, wird weder der Anerkennung, noch der Verwirklichung des Rechts auf Bildung entsprochen. Gleiches gilt für Absatz 2, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, Menschen mit Beeinträchtigungen aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht vom allgemeinen Bildungssystem auszuschließen: Mit der 2007 beschlossenen Bestimmung der Zulassungsvoraussetzungen an Pädagogischen Hochschulen erfolgt eine Exklusion aus dem allgemeinen Bildungssystem. Absatz 4 besagt, dass das Recht auf Bildung verwirklicht werden kann, wenn die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften mit Behinderungen setzen. Dieser Bestimmung wird ebenfalls nicht Folge geleistet. Letztlich macht Absatz 5 klar, dass Diskriminierung nur dann nicht vorliegt, wenn ein gleichberechtigter Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen besteht. Die Zulassungsvoraussetzungen an Pädagogischen Hochschulen verhindern mit der Forderung nach „körperlicher Unversehrtheit“ im Sprechen, Hören und Bewegen den Zugang zur Ausbildung zum Lehrberuf.

Der Zugang zum Lehrberuf ist nach erfolgter Ausbildung für PädagogInnen mit Behinderungen kaum möglich und gilt de facto als nicht realisierbar. Dass derlei Vorgehen diskriminierend ist, belegt § 7b Abs. 1, 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes, der eine mittelbare Diskriminierung anzeigt.

Es lässt sich festhalten, dass der Zugang zur LehrerInnen-Bildung lediglich durch das Bildungsangebot der allgemeinen Universitäten gegeben ist – wenn auch mit studentischen Hürden aufgrund mangelnder Barrierefreiheit (vgl. Zamarin 2011; Zamarin 2012). Der Zugang über PHen ist de facto und de iure nicht gegeben. Erfahrungen, die ausgebildete PädagogInnen mit Sinnesbehinderungen beim Versuch der Aufnahme eines Dienstverhältnisses machten, zeigen, dass hier oftmals von mittelbaren Diskriminierungssituationen auszugehen ist und in vielen Fällen kein Dienstverhältnis zustande kommt.

Kritik auf die Verordnung folgte u.a. vom Monitoringausschuss, der die Einhaltung der UN-BRK überwacht.

2008 wurde mit dem am 4. Juni erlassenen 71. Bundesgesetz [1] zwar nicht auf Pädagoginnen mit Sinnesbehinderung, aber auf Studierende mit Körperbehinderung - wesentlich ist hier §7 (1) – Rücksicht genommen, nämlich bezüglich der Durchführung der Studienberechtigungsprüfung und Leistungsbeurteilung: „Kann eine Prüfungskandidatin oder ein Prüfungskandidat zufolge einer schweren körperlichen Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen, oder ist sie bzw. er durch die Leistungsfeststellung gesundheitlich gefährdet, so sind ihre oder seine Leistungen unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung bzw. gesundheitlichen Gefährdung erreichbaren Stand zu beurteilen, soweit die Anforderungen des betreffenden Prüfungsgebietes grundsätzlich erbracht werden.“

Eine weitere Reaktion, allerdings im Kontext von Sinnesbehinderung, war eine Klage im Jahre 2009/2010, die eine von der Pädagogischen Hochschule Wien abgelehnte gehörlose Bewerberin beim BMUKK einbrachte[2].

Dass Aufnahmen von PädagogInnen (mit Behinderungen) dringend notwendig wären, zeichnet sich anhand des sich zu erwartenden LehrerInnen-Mangels ab. In einem Gespräch mit einem Mitarbeiter des Büros der (damaligen) Frauenministerin Heinisch-Hosek wurden im Jahr 2010 Zahlen genannt, die auch von der Statistik Austria bestätigt werden: Das Lehrpersonal im Bund umfasst 43.061 Lehrpersonen, in den Ländern sind es 69.957 Lehrerinnen und Lehrer. Da eine Überalterung des Lehrpersonals gegeben ist, stehen viele Pensionierungen im Raum, die über die Jahre hinweg zunehmend zu Personalmangel führen werden (Statistik Austria 2013, 74)[3]. Der Mitarbeiter des Frauenministeriums gab im Jahr 2010 an, dass in den weiteren Jahren – bis zum Jahr 2016 – jährlich ca. 1.200 BundeslehrerInnen und etwa 2.400 LandeslehrerInnen ihre Pensionen antreten werden. „Aufgrund der Alterspyramide werden im Zeitraum 2012 bis 2025 rund 59.000 Lehrerinnen und Lehrer in Pension gehen, das entspricht einem Anteil von 50 % der Gesamtzahl der derzeit beschäftigten rund 118.000 Lehrerinnen und Lehrer“ (BMUKK 2010, o.S.; heute: BMBF).

Unter diesem Blickwinkel schien eine Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei den Aufnahmebedingungen an Pädagogischen abermals als angebracht. Da jährlich doppelt so viele LandeslehrerInnen vor ihren Pensionierungen stehen, würde dies v.a. dafür sprechen, speziell hier Pädagoginnen mit Behinderung als vollwertige Lehrkräfte einzusetzen, da es genug Stellen zu besetzen gäbe. Dadurch würden sich Synergien erzielen lassen, da

  • Menschen mit Behinderungen gesicherte, hochwertige Arbeitsplätze zur Verfügung stehen würden. 
  • einem drohenden LehrerInnen-Mangel – zumindest teilweise – entgegengewirkt werden könnte.
  • dadurch dem Normalisierungs- sowie Inklusionsgedanken - im Sinne der vollwertigen Zugehörigkeit und Anerkennung von Pädagoginnen mit Behinderungen im Schulsystem - Rechnung getragen würde und im weiteren Zeitverlauf einen Sozialisierungsprozess und Gewöhnungseffekt auf SchülerInnen und Elternseite hervorrufen könnte, der über die Jahre hinweg dazu führen kann, dass Pädagoginnen mit Behinderungen als selbstverständlicher, integraler Bestandteil am regulären Schulsystem begriffen wird. Letztlich würde mit der Durchsetzung des Inklusionsgedankens auf Landes- und Bundesebene der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention nachgekommen werden.

Solange jungen Menschen mit Behinderungen signalisiert wird, dass der Zugang zu Pädagogischen Hochschulen und zum Lehrberuf per Gesetz nicht möglich ist, wird die Bildungswegentscheidung weder auf eine Pädagogische Hochschule, noch auf eine österreichische Universität fallen. Einer Gesetzesänderung müssten erstens Informationskampagnen im Regelschulwesen oder über Massenmedien folgen und zweitens Anreize für den Lehrberuf für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden, damit sich (mehr) junge Menschen mit Behinderungen für den Lehrberuf zu interessieren beginnen – unter gleichen Voraussetzungen für alle.

Im Frühjahr 2010 signalisierte die Kommission im BMUKK (heute: BMB), dass es zu einer Neuerung des Unterrichtspraktikumsgesetzes kommen soll[4], bei der auch ein Abschnitt über eine „eingeschränkte Lehrbefähigung“ für PädagogInnen mit Sinnesbeeinträchtigungen an PHen enthalten sein sollte. Dem Kompromissvorschlag - diese Personengruppe - an einschlägigen Schulen (in Form einer eingeschränkten Unterrichtserlaubnis) unterrichten zu lassen, wurde letztlich nicht nachgekommen, sondern blieb als Idee im Raum stehen. Ein Treffen der tragenden Kommission im BMUKK fand einmal im Halbjahr statt, wurde schließlich aber vor dem Inkrafttreten der Novellierung der Unterrichtserlaubnis eingestellt. Diese Handlung von Seiten des BMUKK wurde mit einer angestrebten Novellierung der Lehrbefugnis begründet, die letztlich nicht durchgesetzt wurde.

bundessache nahm am 5.4. 2013 an der vom Institut für Bildungswissenschaft initiierten Veranstaltung „Neue Lehrer/-innen für behinderungsgerechte Schulen – auch für AHS und BHS“ teil. Dabei wurde nicht nur über die Notwendigkeit der Einführung inklusiver Schulen referiert und diskutiert, sondern vorwiegend die Neuausgestaltung universitärer Curricula propagiert, in denen Inklusion als eigenständiges Lehrfach eingeführt werden und dessen Absolvierung neue, zukünftige Lehrkräfte mit umfangreichen Fähigkeiten und Kompetenzen (z.B. dem Erlernen von Gebärdensprache) ausstatten soll, um letztlich dem Ziel der Auflösung von Sonderschulen und Integrationsklassen gerecht zu werden. In der Podiumsdiskussion wurde zudem von den geladenen BehindertensprecherInnen von SPÖ, ÖVP und Die Grünen gefordert, dass Menschen mit Behinderungen den uneingeschränkten Zugang zum Lehrberuf bekommen sollten[5].

Am 6.5. 2013 veröffentlichte der Monitoringausschuss eine Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird. Zentral ist hierbei der Verweis auf das geltende „Phonetikkriterium“, das Menschen mit Hörbehinderung von der Zulassung an PHs noch immer exkludiert[6].

In einer Presseaussendung der APA vom 12.6. 2013 verkündet der Behindertensprecher der ÖVP, Dr. Franz-Joseph Huainigg, dass die PädagogInnen-Bildung NEU Menschen mit Behinderungen den Weg in den Lehrberuf ebnet[7].

Auf die Anfrage bei den zuständigen Expertinnen des BMUKK erhielt bundessache die Information, dass das Bundesrahmengesetz zur neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen am 12.6.2013 im Nationalrat beschlossen wurde und in der Woche vom 24.6. bis 30.6. 2013 die Behandlung im Bundesrat erfolgte. Zentral sind hierbei die Änderung der Studienarchitektur (Professionalisierung und Durchlässigkeit der Studienangebote) und die neue Schwerpunktsetzung in der Erstausbildung mit dem Fach „Inklusive Pädagogik“. „Hinsichtlich der entsprechenden Regelungen betreffend Menschen mit Behinderungen (Zugang zum Lehramtsstudium, allfälliger Einsatz als Lehrer/innen etc.) müssen noch weitere gesetzliche Maßnahmen (Verordnungsebene) ausgearbeitet bzw. erlassen werden“.

bundessache erhielt eine Zusage zur Einladung zu Diskussionen und Weiterentwicklungen sobald die PädagogInnen-Bildung Neu in die Phase der weiteren Ausgestaltung gelangt. Dieser Zusage wurde trotz Anfrage auf Mitwirkung  von bundessache von Seiten des BMUKK nicht nachgegangen.

Ausbildung: ja, Beruf: nein?

Zentrale Hürden, die trotz PH-Abschluss einen nicht unwesentlichen Hinderungsgrund der Aufnahme von ausgebildeten PädagogInnen mit Behinderungen darstellen dürften, sind wohl nachstehende:

1. Exkludierende/unvorteilhafte Einträge in Abschlusszeugnissen

  • Manche PädagogInnen mit Behinderungen erhielten am Ende ihres PH-Studiums ein Zeugnis, das ihre pädagogische Praxis entweder nicht beurteilt oder lediglich eine eingeschränkte Lehrbefugnis ermöglicht.
  • Personen, die bei der öffentlichen Sitzung des Monitoringausschusses in Wien 2013 anwesend waren, konstatierten, dass es einen Eintrag in das Abschlusszeugnis von PH-AbsolventInnen mit Beeinträchtigungen gibt, der explizit auf die Beeinträchtigung hinweist.

2. Gesetzliche "Graubereiche"

  • Erfüllung der Aufsichtspflicht im Sinne des § 51 Abs. 4, SchUG
  • Sicherungsmaßnahmen (Sicherung von Kindern im Turnunterricht

3. Keine/wenige Zuweisungen von BewerberInnen mit Beeinträchtigungen durch Stadt- oder Landesschulräte an Schulen und/oder keine Aufnahmebereitschaft von betroffenen Schulen

Auch wenn im Zuge der Pädagoginnen-Bildung NEU ab dem Schuljahr 2014/2015 der ungehinderte Zugang von Menschen mit Behinderungen an Pädagogischen Hochschulen gegeben sein soll, ist – wie vorhin angeführt – eine Aufnahme eines Dienstverhältnisses nach erfolgter Ausbildung nicht garantiert. Falls es doch gelingt, dann am ehesten in einer Sonder- oder „Spezialschule“, was aber dem Ziel des inklusiven Schulsystems entgegensteht. Während in Politik und Öffentlichkeit Veränderungen betreffend der Anzahl der Unterrichtsstunden und der Höhe des LehrerInnengehalts diskutiert wurden, betrachtet die gegründete Arbeitsgruppe bundessache - LehrerInnen Inklusiv das neue Lehrerdienstrecht als Chance zur Aufnahme eines gesetzlichen Passus', der den ungehinderten Zugang zur Ausübung des LehrerInnen-Berufs auf legistischer Ebene festschreiben und in der Praxis ermöglichen soll. Eine erste Stellungnahme gab die Arbeitsgruppe diesbezüglich in Form von E-Mails ab, die sich an die BehindertensprecherInnen von ÖVP, SPÖ, Die Grünen sowie an alle Lehrergewerkschaftsvertreter (hierbei gab es jeweils Unterstützungszusagen) wandte.

Die Arbeitsgruppe schrieb am 23.9. 2013 mit ihrer Forderung im Zuge des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens der Lehrerdienstrechts-Novelle an das Bundeskanzleramt (Sektion III/2). Am selben Tag wurde die Stellungnahme durch eine APA-Aussendung, eine News-Meldung auf der Internetseite von BIZEPS und auf www.bundessache.at kundgetan. Gemeinsam mit den benannten Hürden beim Versuch der Aufnahme eines Dienstverhältnisses als Lehrende/r mit Behinderung wurde sie am 13.11. 2013 an den unabhängigen Monitoringausschuss übermittelt - mit der Bitte um Aufnahme in die Gesamtstellungnahme des Monitoringausschusses, die wiederum den Vereinten Nationen übersandt wird.

Die Analyse des Gesetzestextes des Lehrerdienstrechts macht evident, dass es Inhalte beherbergt, die für PädagogInnen mit Behinderungen von Nachteil sind und daher durch Gesetzesänderungsanträge einer Behebung bzw. Korrektur bedürfen (Österreichischer Nationalrat 2013, 3-5)[8]:

1. Seite 3, §4 (2): Eine Ernennung zum/zur LehrerIn erfolgt nur bei Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift, was für gehörlose Lehrende von Nachteil ist. Es müsste hier ein Verweis stehen, der den Einsatz eines/einer GebärdendolmetscherIn vorsieht, wodurch die Erfüllung dieses Teils des Ernennungserfordernisses gegeben wäre.

2. Seite 5, §10 (1): Ein Definitivverhältnis als LehrerIn erhält jene Person, die als LehrerIn persönlich geeignet ist. Ist die Beeinträchtigung im Zuge eines Dienstunfalles eingetreten und ist die Person bereits 4 Jahre lang in einem provisorischen Dienstverhältnis, so gilt jemand als geeignet. Hier erscheint eine Ergänzung notwendig (die lauten müsste: „nicht nur auf Grund eines Unfalls, sondern auch einer Erkrankung oder fortschreitenden Beeinträchtigung“). Außerdem ist zu hinterfragen, ob es nicht unerheblich ist, in welcher Folge und zu welchem Zeitpunkt eine Beeinträchtigung auftritt. Ebenso ist fraglich, welche Begründung hinter einem mindestens 4-jährigen provisorischen Dienstverhältnis steht.

 

Drei vordergründige Empfehlungen der Arbeitsgruppe und ihre Bearbeitung

1. Gesetzliche Graubereiche, die eine Zuweisung oder Aufnahme an Schulen erschweren, müssen nachgebessert (z.B. Aufsichtsparagraph, Sicherungsmaßnahmen) und hindernde Einträge in Zeugnissen gestrichen werden. Studierenden muss während ihrer Studienphase Raum und Möglichkeit gegeben werden – in Zusammenarbeit/Absprache mit der/dem Behindertenbeauftragten – pädagogische Praxis zu erwerben und dafür beurteilt zu werden. Bezüglich der gesetzlichen Graubereiche stellt sich in der Praxis die Frage, welche Rolle Persönlicher Assistenz zukommen kann (und welche Qualifikationen Persönliche AssistentInnen benötigen – z.B. bezüglich der Unterstützung von PädagogInnen mit Beeinträchtigungen bei der Aufsichtspflicht).

2. Vorbehalten von Seiten der Bevölkerung/Politik können mit praxisnahen (Best-Practice-) Beispielen begegnet werden.

3. Damit sich junge Menschen entscheiden, LehrerIn zu werden, bedarf es u.a. adäquater Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen (z.B. flächendeckende Behindertenbeauftragte und extra-universitäre Strukturen wie etwa eine juristische Beratung etc.). Die Arbeitsgruppe will sich zudem damit beschäftigen, was notwendig ist, dass diese Zielgruppe ungehindert lehren kann (barrierefreier Unterricht, Hilfsmittel etc.).

Ende 2014/Anfang 2015: Gesetze am Weg zur Inklusion

Die gesetzgebende Behörde signalisierte durch Änderungen in Hochschulgesetz 2005 (HG) und Hochschulzulassungsverordnung (HZV) die Bereitschaft, Menschen mit Behinderungen zum Studium zuzulassen.

Ein ganz wichtiger Schritt hin zu Inklusion wird mit §3. und §5. der HZV beschritten, da ab sofort weder Sprech- und Stimmleistung, musikalisch-rhythmische Eignung, noch körperlich-motorische Eignung einfordert werden müssen:

2. Abschnitt

§3. (1) Die allgemeine Eignung zum Bachelorstudium umfasst Eignungsfeststellungen in den folgenden Bereichen:

1. persönliche und leistungsbezogene Eignung insbesondere nach den Kriterien der Studien- und Berufsmotivation, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit (in deutscher Sprache sowie gegebenenfalls in anderen Sprachen oder Kommunikationsformen), psychischen Belastbarkeit, Selbstorganisationsfähigkeit und Reflexionsfähigkeit;

2. fachliche und künstlerische Eignung wie im Curriculum für das jeweilige Studium nach alters-, fach- oder schwerpunktspezifischen Kriterien festgelegt;

3. pädagogische Eignung nach professionsorientierten Kompetenzen wie den didaktischen, sozialen, inklusiven und interkulturellen Kompetenzen, Diversitäts- und Genderkompetenzen sowie Beratungskompetenzen.

Die Feststellung der Eignung gemäß Abs. 1 hat sich auf wissenschaftlich fundierte diagnostische Verfahren zu stützen. Diese müssen einen klaren Bezug zu den genannten Kriterien der Eignung aufweisen. Das Eignungsfeststellungsverfahren ist laufenden wissenschaftlichen Evaluierungen zu unterziehen.

 

Zudem müssen nun die wesentlichen Anforderungen von den Pädagogischen Hochschulen im gesetzlich vorgegebenen Rahmen gewissermaßen selbst eruiert werden. Jedenfalls ist bei der Erfüllung der (festzulegenden) wesentlichen Eignungskriterien von jenen Kriterien Abstand zu nehmen, die aufgrund einer Behinderung oder einer anderen Erstsprache als Deutsch nicht erfüllt werden können.

 

§5. (3) Es ist vom Nachweis jener Eignungskriterien Abstand zu nehmen, die bei Erfüllung der wesentlichen Anforderungen für den angestrebten Beruf aufgrund einer anderen Erstsprache als Deutsch oder einer Behinderung im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 82/2005, nicht erfüllt werden können. Bei Bedarf sind im Rahmen des Eignungsfeststellungsverfahrens geeignete Ausgleichsmaßnahmen (zB Assistenz, Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher) vorzusehen.

 

Ebenfalls für die Zielgruppe positiv formuliert ist im Hochschulgesetz 2005 in §9. (6), 14. die „besondere Berücksichtigung der Erfordernisse von Menschen mit Behinderungen im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 82/2005“. Die hier nicht definierten Erfordernisse gleichen einem Zuspruch zu Individualität. Auch von der Erstellung individueller Curricula und abweichender Prüfungsmethoden ist die Rede, wodurch ein Studienabschluss möglich werden soll:

 

3. Abschnitt, §42. (1b):

Für Studierende mit einer Behinderung im Sinne des § 3 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 82/2005, sind die Anforderungen der Curricula – allenfalls unter Bedachtnahme auf gemäß § 63 Abs. 1 Z 7 beantragte abweichende Prüfungsmethoden – zu modifizieren (individuelles Curriculum), wobei das Ausbildungsziel des gewählten Studiums erreichbar sein muss.

 

Lehrpläne werden durch die Studienkommission verordnet. Ihnen ist ein Qualifikationsprofil anzuhängen, das eine Deskription der Umsetzung der Aufgaben und der Grundsätze beinhaltet. Ein Curriculum muss mit jenen von gleichartigen Studien vergleichbar sein. Sie werden von der Studien-kommission in einem Verfahren begutachtet. Der Qualitätssicherungsrat für PädagogInnenbildung erhält die Lehrpläne, um eine Stellungnahme abzugeben. Das Rektorat ist für die Genehmigung zuständig:

 

3. Abschnitt, §42

(4) Curricula sind vor deren Erlassung sowie vor wesentlichen Änderungen durch die Studienkommission einem Begutachtungsverfahren zu unterziehen. Im Rahmen dieses Begutachtungsverfahrens ist dem zu begutachtenden Curriculum ein Qualifikationsprofil anzuschließen, welches eine Beschreibung der Umsetzung der Aufgaben und der leitenden Grundsätze beinhaltet und die Vergleichbarkeit mit Curricula gleichartiger Studien darlegt. Curricula für Studien zur Erlangung eines Lehramtes sind dem Qualitätssicherungsrat für Pädagoginnen- und Pädagogenbildung zur Stellungnahme zuzuleiten. Die Curricula bedürfen der Genehmigung des Rektorats.

 

Damit ein individuelles Curriculum für LehramtsaspirantInnen zustande kommen kann, sind – wie aus §42 (4) hervorgeht – Studienkommission, Qualitätssicherungsrat und Rektorat involviert.

 

Für die Zulassung zum Studium ist letztlich das Rektorat zuständig:

 

Zulassung zum Studium

§ 50. (1) Das Rektorat hat Personen, die die Zulassungsvoraussetzungen gemäß Abs. 2 und § 51 erfüllen, auf Grund ihres Antrages zum jeweiligen Studium zuzulassen.

 

Nachstehend die gesetzlich festgelegten Zulassungsvoraussetzungen zu einem Bachelorstudium für ein Lehramt (§51). Neben (1), wo u.a. die leistungsbezogene Eignung sowie die zusätzlichen Voraussetzungen für die Zulassung durch die Verordnung der Studienkommission angeführt sind, ist (2c) von zentralem Interesse. Die Eignungsanforderungen müssen anhand eines Kompetenzkatalogs konkretisiert werden, wobei bei der Auswahl der Studierenden den Zielsetzungen des Lehrberufs zu Diversität und Inklusion Rechnung getragen werden muss. Im Anschluss wird abermals unterstrichen, dass vom Nachweis jener Eignungskriterien wegzugehen ist, die aufgrund einer anderen Erstsprache als Deutsch oder aufgrund einer Behinderung nicht erfüllt werden können. Erfüllbar müssen aber die wesentlichen Anforderungen für den Lehrberuf sein.

 

Zulassungsvoraussetzungen

§ 51. (1) Voraussetzung zur Zulassung zu einem Bachelorstudium für ein Lehramt ist die allgemeine Universitätsreife sowie die leistungsbezogene, persönliche, fachliche, künstlerische und pädagogische Eignung zum Studium gemäß der für den Beruf der Pädagoginnen und Pädagogen notwendigen Kompetenzen. Die allgemeine Universitätsreife ist für ordentliche Studierende für Lehrämter im Bereich der Berufsbildung bis zum Erlangen von 120 ECTS-Credits nachzuweisen. Zusätzliche Voraussetzungen für die Zulassung zu Bachelorstudien für Lehrämter für die Sekundarstufe (Berufsbildung) sind durch Verordnung der Studienkommission festzulegen.

(2) Die allgemeine Universitätsreife ist durch eine der folgenden Urkunden nachzuweisen:

1. österreichisches Reifezeugnis einschließlich eines Zeugnisses über die Berufsreifeprüfung und nach schulrechtlichen Vorschriften nostrifizierte Reifeprüfungszeugnisse,

2. Studienberechtigungsprüfung gemäß Hochschul-Studienberechtigungsgesetz, BGBl. I Nr. 71/2008,

3. ausländisches Zeugnis, das einem österreichischen Zeugnis gemäß Z 1 auf Grund einer völkerrechtlichen Vereinbarung gleichwertig ist,

4. Urkunde über den Abschluss eines mindestens dreijährigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung,

5. Erwerb des Diplomgrades gemäß § 35 AHStG bzw. eines akademischen Grades gemäß Universitätsstudiengesetz, Universitätsgesetz 2002, Fachhochschul-Studiengesetz oder Universitäts-Akkreditierungsgesetz auf Grund eines Studiums von mindestens drei Jahren.

(2a) Für ein Bachelorstudium für ein Lehramt für die Sekundarstufe (Berufsbildung) kann abweichend von § 51 Abs. 1 die allgemeine Universitätsreife durch einen Meisterbrief oder eine gleichzuhaltende Qualifikation in Verbindung mit einer mindestens dreijährigen Berufspraxis ersetzt werden.

(2b) (Anm.: Tritt mit 1.10.2019 in Kraft.)

(2c) Zum Bachelorstudium an Pädagogischen Hochschulen dürfen nur solche Personen zugelassen werden, die die durch Verordnung näher festzulegenden Voraussetzungen gemäß Abs. 3 erfüllen. Die Anforderungen an die Eignung sind in Orientierung an dem Kompetenzkatalog gemäß § 42 Abs. 1a so zu konkretisieren, dass hinsichtlich der Auswahl der Studierenden den Zielstellungen des Lehrberufs zu Diversität und Inklusion Rechnung getragen wird. Es ist vom Nachweis jener Eignungskriterien Abstand zu nehmen, die bei Erfüllung der wesentlichen Anforderungen für den angestrebten Beruf aufgrund einer anderen Erstsprache als Deutsch oder einer Behinderung im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes nicht erfüllt werden können. Bei Bedarf sind sowohl im Rahmen des Eignungsfeststellungsverfahrens als auch im Verlauf des Studiums geeignete Ausgleichsmaßnahmen (zB im Sinne des § 63 Abs. 1 Z 7) vorzusehen.

(3) Das Verfahren zur Feststellung der Eignung zum Bachelorstudium hat wissenschaftliche Kriterien zu berücksichtigen. Die Materialien und Informationen sind spätestens sechs Monate vor Durchführung des Verfahrens auf der Homepage zur Verfügung zu stellen. Die näheren Bestimmungen über die Zulassungsvoraussetzungen und das Verfahren zur Feststellung der Eignung zum Bachelorstudium, über die Voraussetzungen zum Studium von (Hochschul)Lehrgängen sowie über das Aufnahmeverfahren sind durch Verordnung des zuständigen Regierungsmitgliedes sowie nach den Anforderungen der Curricula durch Verordnung der Studienkommission festzulegen.

 

Zentral erscheint nun, dass die Pädagogischen Hochschulen durch Vernetzungsarbeit und Austausch (auch mit Universitäten) zu einer einheitlichen Eignungsfeststellung gelangen, um bundesweit möglichst gleiche Rahmenbedingungen beim Hochschulzugang zu schaffen. Bei Gelingen dieses komplexen Vorhabens, das viele Erwägungen und Abwägungen mit sich bringt, um einer äußerst heterogene Gruppe von StudienwerberInnen den Zugang zum Studium zu ermöglichen, stellt sich noch immer die Frage, wie es mit LehrerInnen mit Behinderungen nach Abschluss des PH-Studiums weitergeht, um tatsächlich eine Stelle als LehrerIn zu erhalten. Die Umsetzung dieses Vorhabens und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen liegt allerdings nicht mehr in der Zuständigkeit der Pädagogischen Hochschulen, sondern in jenem des Arbeitgebers.

 


[1] Fischer, H. und Gusenbauer, A. (2008): Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich 71. Bundesgesetz: Hochschul-Studienberechtigungsgesetz – HstudBerG sowie Änderung des Hochschulgesetzes 2005 und des Privatschulgesetzes. Online-Dokument. URL: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/16656/bgbl_i_71_2008.pdf  Download: 13.03. 2013, 12:56.

 

[2] Wagner, G. (2010): Werden gehörlose Studierende an der PH diskriminiert? Online-Dokument. URL: http://www.freak-online.at/freak-online/aktuell/aktuell-detail/article/werden-gehoerlose-studierende-an-der-ph-diskriminiert/ Download: 2.4. 2013, 15:34.

 

[3] Statistik Austria (2013): Bildung in Zahlen 2011/2012: Schlüsselindikatoren und Analysen. URL: http://www.statistik.at/dynamic/wcmsprod/idcplg?IdcService=GET_NATIVE_FILE&dID=139010&dDocName=043371. Online-Dokument. Download: 17.06. 2013, 14:30.

 

[4] Siehe Online-Dokument. URL: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00088/index.shtml Download: 30.04. 2013

 

[5] Universität Wien Institut für Bildungswissenschaft (2013): Neue Lehrer/-innen für behinderungsgerecht Schulen – auch für AHS und BHS: UN-Behindertenrechtskonvention und Lehrer/-innen-Bildung NEU. Online-Dokument. URL: http://bildungswissenschaft.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/inst_bildungswissenschaft/
aktuelles/201304_Neue_Lehrerinnen_Entwurf__13.3.2013_.pdf
Download: 1.4. 2013,14:15.

 

[6] Schulze, M. (2013): Stellungnahme. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Hochschulgesetz 2005 (HG) geändert wird. Online-Dokument. URL: http://www.monitoringausschuss.at/sym/monitoringausschuss/
Stellungnahmen
Download: 1.6. 2013, 15:20.

 

[7] Austria Presse Agentur (2013): Huainigg: „PädagogInnenbildung Neu“ ebnet Menschen mit Behinderung den Weg in den Lehrberuf. Online-Dokument. URL: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130612_OTS0231
/huainigg-paedagoginnenbildung-neu-ebnet-menschen-mit-behinderung-den-weg-in-den-lehrerberuf
Download: 12.6. 2013, 14:30.

 

[8] Österreichischer Nationalrat (2014): Bundesgesetz vom 27. Juni 1984 über das Dienstrecht der Landeslehrer (Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984). Fassung vom 10.01. 2014. OnlineDokument. URL: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&
Gesetzesnummer=10008549
Download: 10.01. 2014: 14:14.